Versteckte Konflikte
Konflikte und Overloads/ Meltdowns bei Kindern mit Autismus – Die sichtbare Ebene und die wahren Hintergründe
Liebe Leserinnen und Leser,
In dieser Ausgabe möchten wir uns einem Thema widmen, das viele Eltern, Betreuer und Lehrkräfte von Kindern mit Autismus beschäftigt: die Entstehung und die Ursachen von Konflikten und Overloads/ Meltdowns. Besonders spannend und wichtig ist dabei die Frage, warum diese Konflikte manchmal so plötzlich und heftig auftreten und wie wir die wahren Ursachen dahinter besser verstehen können. 1. Der sichtbare Konflikt: Was wir von außen wahrnehmen Für Außenstehende ist ein Konflikt oder ein Overload/ Meltdown oft die einzige sichtbare Reaktion des Kindes. Häufig zeigt sich diese in Form von Wutanfällen, Schreien, Rückzug oder in körperlichen Reaktionen wie Zappeln, sich abwenden oder sogar aggressiven/ autoaggressiven Verhaltensweisen. Diese Situationen können auch für die Umgebung intensiv sein und ein Gefühl der Hilflosigkeit auslösen. Doch was wir sehen, ist meist nur die „Spitze des Eisbergs“ – eine sichtbare Reaktion auf tieferliegende Ursachen, die nicht immer direkt ersichtlich sind. Ein Beispiel dafür ist das folgende Diagramm:
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Im oberen Bereich des Dreiecks sehen wir einen sichtbaren Auslöser – „Gewand schmutzig“. Dies ist der „sichtbare Konflikt“, der für alle erkennbar ist und oft die unmittelbare Reaktion des Kindes hervorruft. Die unteren Bereiche zeigen hingegen die tieferliegenden Ursachen, wie „Missverständnis“, „Unsicherheit“ oder „Müdigkeit“. Diese unsichtbaren Faktoren beeinflussen das Verhalten maßgeblich und führen in ihrer Gesamtheit zur Eskalation.
2. Die wahre Ursache: Auslöser und innere Bedürfnisse erkennen Konflikte oder Overloads/ Meltdowns bei Kindern mit Autismus haben oft tieferliegende Auslöser, die sich auf der Sachebene schwer erfassen lassen. Ein häufiger Irrtum ist, dass nur laute Geräusche oder intensive Reize als Auslöser wirken. In Wahrheit können auch ganz einfache, alltägliche Reize – wie ein kleiner Fleck auf der Kleidung, eine Veränderung im Raum oder ein neues, vielleicht leicht kratzendes Kleidungsstück – eine starke Reaktion hervorrufen. Solche „banalen“ Reize wirken deshalb so intensiv, weil das Kind möglicherweise schon durch andere unsichtbare Faktoren belastet ist. Hier sind einige häufige versteckte Ursachen:
Beispiele für hilfreiche Aktivitäten im Alltag für Menschen mit Autismus Hier sind weitere Beispiele für konstruktive und strukturierte Aufgaben im Alltag, die für Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) hilfreich sein können. Diese Aufgaben bieten eine Kombination aus Routine, Sinnhaftigkeit und gezielter Förderung von motorischen, kognitiven und sozialen Fähigkeiten: Hier sind einige praktische Beispiele:
Diese Beispiele helfen, Menschen mit Autismus eine sinnvolle und strukturierte Einbindung in den Alltag zu bieten. Solche Aufgaben fördern Unabhängigkeit, schaffen Orientierung und sind für viele eine beruhigende und wertvolle Ergänzung. 3. Strategien zur Unterstützung: Konflikte verstehen und deeskalieren Konflikte und Overloads/ Meltdowns können vermieden oder zumindest abgeschwächt werden, wenn wir die wahren Ursachen hinter den Verhaltensweisen verstehen. Hier sind einige Tipps zur Prävention und Deeskalation: – Sensibilität für sensorische Bedürfnisse: Es ist hilfreich, die individuellen sensorischen Vorlieben oder mögliche sensorische Überreizungen des Kindes zu kennen. Ein ruhiger Rückzugsort, Kopfhörer oder gedimmtes Licht können in stressigen Situationen helfen, Überforderung zu vermeiden. – Klarer und einfacher kommunizieren: Kinder mit Autismus profitieren von klaren, direkten Anweisungen. Eine einfache, klare Sprache oder visuelle Hilfsmittel (Fotos, Bilder usw) können die Kommunikation erleichtern und Missverständnisse vermeiden. – Routine und Struktur schaffen: Ein strukturierter Tagesablauf und visuelle Zeitpläne bieten Stabilität und helfen, die Wahrscheinlichkeit von Konflikten bei Menschen mit Autismus zu verringern. Diese Struktur gibt Orientierung und Sicherheit und unterstützt dabei, den Tag vorhersehbar zu gestalten. Allerdings ist es wichtig, darauf zu achten, dass der Tagesablauf nicht zu starr und immer gleich abläuft. Zu feste Routinen können dazu führen, dass sie zunehmend eingefordert werden und spontane Veränderungen schwieriger werden. Wenn der Alltag zu starr gestaltet ist, kann dies Unsicherheiten und Ängste bei unvorhergesehenen Änderungen auslösen. In solchen Fällen können spontane Veränderungen für das Kind oder die betroffene Person schnell überfordernd wirken und zu Overloads oder Meltdowns führen. Daher ist es ratsam, hin und wieder kleine Anpassungen oder Abwechslungen in den Ablauf einzubauen, um Flexibilität zu fördern und auf unerwartete Situationen besser vorbereitet zu sein. – Gefühle und Emotionen benennen: Helfen Sie dem Kind, seine eigenen Gefühle zu erkennen und auszudrücken. Zum Beispiel durch die Verbalisierung: „Du bist gerade sehr wütend!“ oder „Du ärgerst dich über die Aufgabe!“ kann ein Kind lernen, dass die Emotion einen Namen haben und lernen diese zu benennen. 4. Fazit: Konflikte als Chance für Verständnis Konflikte und Overloads/ Meltdowns sind nicht nur Herausforderungen, sondern auch Gelegenheiten, das Kind und seine Bedürfnisse besser zu verstehen. Je mehr wir die Ursachen hinter diesen Verhaltensweisen erkennen, desto besser können wir das Kind unterstützen und ihm helfen, mit stressigen Situationen umzugehen. Verständnis, Geduld und Empathie sind der Schlüssel, um Konflikte auf der Oberfläche als Signale für tiefere Bedürfnisse zu erkennen und darauf einzugehen. Praktische Tipps für den Umgang mit Konflikten und Overloads/ Meltdowns bei Kindern mit Autismus folgen in unserem nächsten Newsletter im Februar. |
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