In unserem letzten Newsletter haben wir über die sichtbare und unsichtbare Ebene von Konflikten und Overloads/ Meltdowns bei Kindern mit Autismus gesprochen. Heute möchten wir Ihnen praktische Tipps an die Hand geben, die Ihnen helfen können, diese Situationen zu verstehen, ihnen vorzubeugen und sie im Alltag besser zu bewältigen.

1. Routinen schaffen, aber Flexibilität einbauen

– Tagesstruktur mit visuellen Hilfen: Ein flexibler und effektiver Ansatz

Ein strukturierter Tagesablauf, der durch Bilder, Symbole oder Wortbild dargestellt wird, kann Kindern mit Autismus Orientierung und Sicherheit geben. Die visuelle Unterstützung hilft ihnen, besser zu verstehen, was sie erwartet und was als Nächstes ansteht. Häufig wird dafür ein visueller Kalender oder ein Plan mit Bildern genutzt, der den gesamten Tagesablauf abbildet.

Allerdings ist das Erstellen eines detaillierten, bildlichen Plans für den gesamten Tag oft sehr zeitaufwändig und kann im Alltag starr wirken. Aus persönlicher Erfahrung hat es sich bewährt, die großen Tagespunkte – also die wesentlichen Abschnitte oder Aktivitäten des Tages – visuell oder schriftlich darzustellen. So erhält das Kind Struktur und Orientierung, ohne dass der Ablauf zu detailliert und rigide wird.

Praktische Tipps zur Umsetzung:

– Wichtige Tagespunkte festhalten: Konzentrieren Sie sich auf die Kernpunkte des Tages, wie z.B. „Frühstück“, „Schule“, „Mittagessen“, „Hausaufgaben“ und „Schlafenszeit“. Das gibt eine klare Struktur, ohne jeden kleinen Schritt festlegen zu müssen.

– Kombination aus Bildern und Schrift: Je nach Alter und Fähigkeit des Kindes können Sie Symbole und einfache Beschreibungen kombinieren. So können sie sowohl visuell als auch durch Worte verstehen, was bevorsteht.

– Flexibilität einplanen: Lassen Sie Platz für spontane Aktivitäten oder nutzen Sie ein Symbol für „Überraschung“ oder „Pause“. So lernt das Kind, dass nicht alles jeden Tag gleich ist und dass es auch Freiräume gibt.

– Wechselnde Wochenpläne: Für wiederkehrende Aktivitäten wie Therapien, Hobbies oder besondere Wochentage kann ein Wochenplan hilfreich sein. Dieser bleibt in seiner Grundstruktur gleich, bietet aber durch das wöchentliche Wiederholen Verlässlichkeit.

Fazit:

Ein visueller Plan für die großen Tagespunkte schafft eine klare und beruhigende Orientierung, ohne zu viel Starrheit zu erzeugen. Kinder mit Autismus profitieren von dieser übersichtlichen Struktur, die Raum für Flexibilität lässt und sowohl Sicherheit als auch die Fähigkeit zur Anpassung an Veränderungen fördert.

2. Sensorische Bedürfnisse beachten

– Reizüberflutung vermeiden: Kinder mit Autismus sind oft empfindlich gegenüber Reizen wie Lärm, Licht oder Gerüchen. Achten Sie darauf, eine ruhige Umgebung zu schaffen, besonders in Momenten, in denen das Kind eine Pause braucht.

– Sensorische „Notfallkiste“ vorbereiten: Eine Notfallkiste mit Kopfhörern, Sonnenbrillen, weichen Stoffen oder kleinen sensorischen Spielzeugen kann helfen, Stresssituationen zu entspannen.

– Beruhigende Rückzugsorte schaffen: Ein ruhiger, abgetrennter Raum oder eine gemütliche Ecke mit Kissen und Decken bietet einen sicheren Rückzugsort, falls das Kind überreizt ist.

3. Kommunikationsstrategien anpassen

– Einfache, klare Sprache verwenden: Nutzen Sie kurze Sätze und einfache Worte, um das Verständnis zu erleichtern. Komplizierte oder lange Anweisungen können überfordernd wirken.

– Visuelle Hilfen einsetzen: Bilder, Symbole oder Gebärden können dabei helfen, Botschaften klarer zu vermitteln und Missverständnisse zu vermeiden.

– Emotionen benennen und beschreiben: Helfen Sie dem Kind, seine eigenen Gefühle zu verstehen, indem Sie Emotionen benennen. Sagen Sie z.B.: „Ich sehe, dass du wütend bist. Ich helfe dir?“

4. Strukturierte und sinnvolle Beschäftigung bieten

– Einfache und vorhersehbare Aufgaben: Aufgaben wie Wäsche sortieren, Pflanzen gießen oder Tisch decken geben eine klare Struktur und fördern das Gefühl von Kontrolle und Erfolg.

– Sinnvolle Pausen einbauen: Regelmäßige Pausen mit geplanten, beruhigenden Aktivitäten wie Lesen, Puzzeln oder ruhigem Spielen sind wichtig, um Überlastung zu vermeiden.

– Bewegung und Körperaktivität fördern: Kurze Bewegungspausen wie Dehnübungen, Springen oder Tanzen helfen, Stress abzubauen und die Energie zu regulieren.

5. Vorbeugung und Umgang mit Overloads und Meltdowns

– Frühwarnzeichen erkennen: Achten Sie auf Anzeichen von Unruhe oder Frustration, wie zum Beispiel verstärkte körperliche Bewegungen oder zurückziehendes Verhalten. Dies kann ein Hinweis darauf sein, dass das Kind sich überfordert fühlt.

– Beruhigungstechniken anwenden: Tiefe Atemübungen, sanftes Sprechen oder die Anwendung eines festen, klaren Drucks (z.B. durch eine Umarmung oder Decke) können beruhigend wirken. Fragen Sie jedoch zuerst nach, ob das Kind berührt werden möchte.

– Abgelenkte Aufmerksamkeit: Manchmal hilft es, das Kind vorsichtig auf eine andere Tätigkeit umzulenken, um die Situation zu entspannen. Bieten Sie eine einfache, beruhigende Aktivität an, die das Kind gerne macht.

6. Nach einem Overload/ Meltdown – Rückkehr zur Normalität

– Ruhige Nachbesprechung: Warten Sie, bis sich das Kind vollständig beruhigt hat, bevor Sie die Situation besprechen. Eventuell sogar erst am nächsten Tag! Vermeiden Sie es, Vorwürfe zu machen. Stattdessen können Sie gemeinsam überlegen, was beim nächsten Mal helfen könnte.

– Routine wiederherstellen: Kehren Sie nach einem Overload/ Meltdown schnell zur gewohnten Tagesroutine zurück. Dies gibt dem Kind die Sicherheit und Stabilität, die es braucht, um sich wieder zu entspannen.

– Positives Verhalten loben: Wenn das Kind sich bemüht, sich selbst zu beruhigen oder auf Veränderungen flexibel reagiert, loben Sie es für diese Anstrengung. Positive Verstärkung hilft, das Selbstvertrauen zu stärken.

Diese Tipps sollen Ihnen helfen, die Bedürfnisse von Kindern mit Autismus im Alltag besser zu verstehen und stressige Situationen zu minimieren. Denken Sie daran: Jedes Kind ist einzigartig, und es kann Zeit brauchen, herauszufinden, welche Strategien am besten wirken. Geduld, Verständnis und eine ruhige Herangehensweise sind die besten Begleiter, um gemeinsam einen harmonischeren Alltag zu gestalten.

Vielen Dank, dass Sie sich mit diesem wichtigen Thema auseinandersetzen! Gemeinsam können wir Kindern mit Autismus helfen, in einem Umfeld zu wachsen, das ihre Bedürfnisse versteht und ihnen erlaubt, in ihrem eigenen Tempo zu lernen und zu leben.

Petra & Sarah